Kritische Lebensereignisse & Bewältigungsstrategien – oder wie man von der Theorie in die Praxis stolpert

Kritische Lebensereignisse und Bewältigungsstrategien (Copingstrategien) war eines der Themen meiner Diplomprüfung. Dass ich die Prüfung mit der Bestnote abgeschlossen hatte, wurde, sobald wir in eine Anhäufung kritischer Lebensereignisse stolperten, zur Nebensache. Auf die Prüfung hatte ich mich vorbereiten können. So wusste ich, was kritische Lebensereignisse sind und dass die Summe der Ärgernisse zu Stressoren werden, die die Gesundheit angreifen. Die gute Nachricht, die ich für meine späteren Klienten dabei gelernt hatte, war, dass es Bewältigungsstrategien gibt: Man geht entweder emotionszentriert oder problemzentriert an die Krise heran, um den Stress zu reduzieren bzw. seine schädlichen Auswirkungen zu verringern.

Soweit zur Theorie. Aber was macht man, wenn man selbst mitten in so einem Lebensereignis steckt und jeden Tag den Tod des geliebten und langersehnten Kindes vor Augen hat? Dann kann man nicht das Handbuch aufschlagen und sagen: “Ah, dann ist jetzt diese oder jene Strategie dran.” Denn zunächst geht es nur ums Überleben. Irgendwie den Tag durchstehen. Und irgendwann, wenn man die verschiedenen Phasen durchlaufen ist, dann lernt man, was wirklich wichtig ist, was einem gut tut, und was man braucht, um nicht nur zu überleben, sondern auch zu leben.

Heute möchte ich mit euch teilen, was uns gut tut. Dinge, die unser Leben lebenswert machen. Der Weg dahin ist/war keineswegs einfach, ganz im Gegenteil – wahrhaft ein Kraftakt.

Annehmen
Der erste Schritt der Bewältigung ist voll und ganz Ja zum Leben zu sagen. Wir freuen uns über das, was da ist und sind nicht wehmütig über das, was nicht da ist. Vor kurzem las ich den Satz: “Das Gras ist grüner, … wo man ihm Wasser gibt.” Das heißt, dass ich aufhören muss, mich mit anderen zu vergleichen. Sehen, was ich schon habe und dafür dankbar sein, es wertschätzen und pflegen. Dann wird es wachsen und mir eine Freude bereiten.

Dankbarkeit
Trotz allem, was gerade in unserem Leben nicht gut läuft, gibt es mit Sicherheit immer mindestens eine Sache, die positiv ist. Dafür sind wir dankbar. Es kann auch eine Kleinigkeit sein. Es kann sein, dass es für andere selbstverständlich ist. Das spielt keine Rolle. Wir schreiben es auf. Durch das Aufschreiben drücken wir unsere Dankbarkeit anders aus und es kommt zu einem Perspektivwechsel. Weg vom Negativen hin zum Positiven.

Oasen im Alltag finden
Was tut uns gut? Welche Menschen bringen uns zum Lachen? Wir tun das, was uns gut tut. Wir suchen die Gemeinschaft von Menschen, die uns schätzen, keine falschen Erwartungen an uns stellen, die uns das Gefühl geben, lebendig zu sein.

Den Augenblick genießen
Gestern ist Vergangenheit und was morgen ist, wissen wir nicht. Wir machen uns also keine Sorgen um die Zukunft, sondern leben jetzt, schätzen das Leben, feieren und genießen es. Wir warten nicht, bis das oder jenes passiert, bis wir unseren Herzenswunsch erfüllen. Wir stehen auf und tun es. Jetzt.

Schöne Erlebnisse sammeln
Wir wollen Erlebnisse und Erinnerungen statt Staubfänger sammeln. Denn Glück kann man bekanntlich nicht kaufen, aber man kann (vorzugsweise mit anderen Menschen) Dinge erleben, an die man sich noch Jahre später gerne erinnert. Wir versuchen soviel wie möglich zu reisen, neue Orte und Menschen kennenzulernen.

Lächeln, lachen und Freude ausbreiten
Egal, wie die Situation gerade ist oder wie schlaflos die Nacht war, wir lachen viel. Und die Glücksgefühle kommen von alleine. Das Beste ist, dass wir auch andere mit unserer Freude anstecken. Hier ist Jaël unser absolutes Vorbild. Auch in Zeiten, in denen es ihr richtig schlecht geht und wir förmlich sehen können, wie das Leben sie verlässt, schafft sie es, uns mit ihrer Lebensfreude anzustecken.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Berger

    Hallo Ihr inspirierenden Menschen,

    schöner Text. Auch wenn wir andere Umstände haben, so geben mir eure geschriebenen Wörter Kraft!

    Vielen Dank und alles Gute für euren weiteren Weg!

    Kim

  2. Henrike

    Hallo ihr Lieben,
    Ich bin gerade über euren Blog gestolpert. UNGLAUBLICH!!!
    Ich hab ja schon viel über Trisomie 18 gelesen aber dass das so gut läuft hört man selten…
    Hier noch ein kleiner Tipp ich selbst bin gehörlos und trage Cochlear Implantate, ich weiß natürlich nicht inwiefern das für euch möglich ist aber ich denke, dass es für Jael eine unglaubliche Erfahrung wäre etwas zu hören, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.
    Ich wünsche euch noch alles Liebe und Gute

    1. Jaëls Mama

      Hallo Henrike,
      vielen Dank für den Gruß. Als Baby wurde bei Jaël minimale Hörminderung festgestellt, die allerdings schon lange ausgewachsen ist. Jaël kann sehr gut hören (und auch sehen) und ist erstaunlich fit in sozialen Interaktionen.
      Lieben Gruß

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